Richter und Turnierprofis streuen Sand in die Augen der Zuschauer!
Vieles von dem, was wir auf den Turnierplätzen in der Dressur sehen, ist unserem Pferd gegenüber unangebracht und gehört deshalb dort nicht hin.
Beginnen wir mit uns, die wir reiten und unsere Pferde in den verschiedensten Prüfungen und Leistungsklassen vorstellen wollen. Der tiefe, pferdegerechte Sitz derjenigen Reiter, die harmonisch und damit richtig im Pferd sitzen, existiert gar nicht mehr. Oder wurde durch die moderne, optische Aufmachung der Reitbekleidung abgelöst. Dazu gehören Lackstiefel, Glitzersteine usw., nicht nur am Sattelzeug, sondern auch an den Accessoires des Reiters. Das mag sicher dem einen oder anderen gefallen, es ist meiner Meinung nach aber kein Ersatz für feines Reiten. Und genau das findet bedauerlicherweise auf den Turnieren nicht statt.
Sprechen wir doch andererseits von unseren Turnierpferden. Sofern die Prüfungen an mehreren Tagen am Wochenende verteilt sind, werden die Pferde in Boxen untergebracht, die sich manches Mal in einem festen gebauten Stall befinden und dann meistens prima sind. Gezwungener Maßen wird hin und wieder auf Stallzelte ausgewichen. In der Regel messen diese Boxen 3 x 3 Meter und fallen damit eher klein aus. Dass das nicht zu vermeiden ist, wenn man mit seinem Ross verreist, ist klar. Wie immer fern der Heimat, gibt es hier und da manchmal Einschränkungen. Unsere Pferde zeichnen sich auch in diesem Punkt durch sogenannte „Nehmerqualitäten“ aus. Einige Reiter holen auch immer wieder die Pferde heraus, um sie nicht zu lange in diesen Hamsterkäfigen zu lassen – und das ist ganz famos – andere tun das eben nicht.
So unterschiedlich die Aufstallung und der Umgang mit ihr sein kann, so einseitig ist die nun folgende Reiterei. Es beginnt mit dem Warm-up, dem sogenannten „Abreiten“, das, wie wir alle wissen, eigentlich dazu gedacht ist, unsere Pferde sinnvoll auf die anschließend zu reitende Dressurprüfung vorzubereiten. Aber was sehen wir da, wenn die Kandidaten gerade einmal aufgesessen sind? Natürlich mit Aufstiegshocker aufs Reittier gelangt, um den Rücken des Pferdes zu schonen, nehmen die selbigen sofort den Zügel in die Hand, um dem Pferd den Kopf hin- und herzuziehen! Noch bevor sie den eigentlichen Abreiteplatz erreicht haben, ist der Hals des armen Tieres „rund“ eingeengt und das Pferd schwindelig gezerrt. Der darauf hockende Reiter empfindet sich dabei als professionell und großartig. Bei all diesen schönen Gefühlen für sich selbst ist ihm jedoch entgangen, dass das Pferd den Rücken bereits festhält. Doch als allwissender Herr über sein Pferd wird er dem Tier schon gleich beikommen.
Auf dem Abreiteplatz angekommen, bleibt der Anzug der kräftig einwirkenden Hände auf das Pferdemaul bestehen, alles andere wäre auch Kontrollverlust (mangels einer guten Ausbildung). Kaum eine Runde Schritt geritten, wird ab jetzt – für die Galerie von Zuschauern auf dem Abreiteplatz – vorgeritten wie es RICHTIG geht. Über das Headset werden dazu vom Bodenpersonal Anweisungen an den Reiter übermittelt, der in der Folge die Restindividualität seines Pferdes endgültig abwürgen wird. Mithilfe von viel Armkraft, grobem Sporeneinsatz und ungenügend erkennbarer Systematik muss das Pferd nun auf den Trichter kommen, was von Ihm gewollt ist. Jede freiwillige Kooperationsbereitschaft wird hierbei von vornherein gnadenlos unterdrückt. Hier wird jetzt ein Mikromanagement vom Feinsten, bis zu den Haarspitzen, durchgezogen und das arme, so gequälte Tier soll das verstehen? Das Resultat – na, sehen Sie selbst: ein Pferd, das mit seiner Stirnlinie stets hinter der Senkrechten läuft, das in jeder Gangart mit dem Kopf nickt, als hätte es die Wirbelsäule eines Huhns und dessen Hals. Hinzu kommt allerdings, dass der Pferdekopf weiterhin auch seitlich hin- und hergezogen wird. Es bietet sich uns ein unerträgliches Szenario des Grauens.
Ist also die Ausschaltung der Harmonie mit dem Pferd während des Warm-ups gelungen, dann geht es zum Prüfungsviereck. Hier widerfährt es dem Pferd nur etwas besser, da das unsägliche Hin und Her des Halses auf ein Riegeln mit der Hand reduziert wird. Meist wird auch der Sporeneinsatz etwas weniger. Gerne stellt sich der Trainer – sofern er einen Namen hat, der seinen Schülern weiterhelfen könnte – direkt an der den Richtern gegenüberliegen kurzen Seite sichtbar in Pose. Das Zuschauerinteresse für Dressurturniere war noch nie besonders groß, es ist allerdings inzwischen auf einen beinahe historischen Tiefstand gefallen. Die letzten Verbliebenen sehen sich diese Ritte oft nur noch über private Sender an.
Bei größeren Turnieren sitzen bis zu fünf Richter um den Prüfungsplatz herum, die, entsprechend der LPO und den damit verbundenen Richtlinien der FN, die gezeigten Ritte bewerten sollen. Diese Beurteilungen lassen doch sehr zu wünschen übrig, halten sich doch die Damen und Herren selbst nicht zwingend an die FN-Regeln, nach denen sie richten. Wir finden hier durchaus pflichtwidriges Verhalten bei der Beurteilung von Ritten. Wenn wir jene Richtlinien zu Grunde legen, nach denen sie ihre Punkte vergeben sollen, unterlassen sie es bewusst, für einen tierfreundlichen Umgang einzutreten. Gegenüber dem Zuschauer werden dann Ritte als gut und richtig ganz vorne platziert, die sich z. B. durch einen strampelnden Verkaufstrab oder Showtrab, durch ein permanentes Nicken des Pferdekopfs im Galopp und in der Piaffe oder auch durch ein schwerfälliges, zeitlupenartiges Wenden in der Galopppirouette auszeichnen. Die ich übrigens noch als flüssige, im Dreitakt (Galopp!) gesprungene Lektion gelernt habe. Es wird dabei gleichzeitig immer von der „Bergauftendenz“ gesprochen, die allerdings in den meisten Fällen gar keine ist, sondern eher ein Hin- und Herschaukeln des festgehalten Körpers, bei dem nicht einmal mehr die erste Anforderung aus den Richtlinien vorhanden ist – nämlich der Takt. Es versteht sich von selbst, dass in Ermangelung dessen auch die Losgelassenheit nicht mehr gegeben sein kann und von einer passenden Anlehnung kann schon lange nicht mehr geredet werden. Über die weiteren Meilensteine, die in den FN-Richtlinien manifestiert sind und die im Thema Versammlung ihren Höhepunkt finden, brauchen wir uns von nun an keinen Kopf mehr machen – na, Gott sei Dank!